Sicheres Focusing mit (fast) jedem Begleiter
Uebersetzung: Heinz Urban
Focusing Journal 7 / 2001
DAF Wuerzburg, Ludwigstr. 8a, D-97070 Wuerzburg – www.focusing-daf.de
Original: Ann Weiser Cornell
Es erscheint mir immer wie ein kleines Wunder: Ich sitze in einer Anfäengergruppe, eine neue Person höert mir zum erstenmal zu und ich habe eine fantastische Focusing-Sitzung. Und das oft in nur zehn Minuten! Ist das nicht bemerkenswert? Wenn ich jemand von einer anderen psychologischen Richtung von einer anderen Richtung davon üeberzeugen wollte, dass ich manchmal mein bestes Focusing vor einer Gruppe noch ziemlich Fremder habe, begleitet von einem absoluten Anfäenger und das noch in einer solch kurzen Zeit, dann wüerden Sie mich dieser wohl gerne irgendwo füer einen läengeren Aufenthalt einweisen. Aber trotzdem, es stimmt!
Wenn ich also versuche zu erkläeren, was mich sicher(1) genug füehlen läesst, um eine große solche Sitzung mit einem neuen Begleite(2) zu haben, dann kann dies auch uns helfen zu verstehen, wie wir uns als Fokussierende sicher fühlen können mit fast jedem Partner sicher füehlen köennen.
- Dazu brauchen wir zu allererst eine Vereinbarung, die besagt, dass der Begleiter nur zurüeck sagt(3) und nicht füehrt(4),(5). Das heißt, ich bin selber verantwortlich, wie ich meinen Prozess gestalte. Ich weiß ich habe einen wunderbaren freien Raum in mir, in den der andere nicht eingreifen wird. Ich kann mir die Zeit nehmen, die ich brauche, um etwas zu finden und brauche mir keine Sorgen zu machen, dass ich unterbrochen werde; solange ich schweige, wird auch mein Begleiter schweigen.
Ich weiß also, dass mein Zuhöerer folgt mir lediglich dorthin folgt, wo ich mich befinde. Er wird nicht versuchen, etwas von mir zu interpretieren, zu analysieren, vorweg zu nehmen oder, Zusammenhäenge konstruieren zu wollen. Er wird und sich noch nicht einmal viele Gedanken machen, ob er das, was ich sage, auch versteht. Diese einfache Aufgabenteilung gibt mir eine großsse innere Ruhe. Ich kann einfach bei mir sein und der Zuhöerer begleitet mich nur.
Zweitens: Wie ich vorgehe, ist meine Angelegenheit, der Fokussierende ist der „Chef.“ Das macht mir bewusst, dass es ist füer mich als Fokussierenden nicht notwendig ist, mich um den Begleiter zu küemmern. Ich muss nichts Interessantes oder Produktives hervorbringen. Ich köennte auch die ganze Zeit schweigen und das wäere auch in Ordnung. Andererseits köennte ich einen ganzen Wortschwall loslassen und es wäere Sache des Zuhöerenden, damit zurecht zu kommen. Das ist unsere Üebereinkunft.
Drittens: Ich weiß, es ist meine Sache, alles, was der Begleiter sagt, zu üeberprüefen an dem, was ich an meinem inneren Ort vorfinde und es entweder als stimmig zu erleben oder abzulehnen, wenn es nicht passt. In dieser Weise ist es wirklich der innere Ort, der den Ablauf der Sitzung bestimmt und vermeidet, dass etwas geschiehtnichts zuläesst, bei demwo ich mich nicht ungeschüetzt fühlewäere. Manchmal werde ich sagen müessen, „Bitte bleibe näaeher an dem, was ich sage,“ oder „Ich habe das Empfinden, Du schläegst etwas vor, aber ich möechte, dass Du nur zurüeck sagst, was ich gerade geäeußert habe.“ Selbst wenn also der Begleiter unsere erste Vereinbarung vergisst, verschafft mir diese Üebereinkunft Sicherheit.
Viertens: Wir haben vereinbart, dass ich sogar mit einer Handbewegung den Begleiter unterbrechen kann, wenn er etwas sagt, wäehrenddessen etwas wichtiges in mir auftaucht. Es ist Teil unserer Üebereinkunft, dass dies keine Abwehr ist, sondern eine natüerliche Möeglichkeit, weil etwas im Fokussierenden vor sich geht, das im Moment ein Schweigen des Begleiters erfordert und damit einfach in Ordnung ist.
Das Ergebnis all dieser Vereinbarungen ist: Ich beginne eine Sitzung, indem ich mir bewusst Zeit nehme, auch wirklich in mich zu kommenmeinen inneren Platz zu finden und dann „etwas“, das von mir erkannt werden will, einzuladen, sich mitzuteilen. . Dann lade ich „etwas“ ein zu kommen, das sich melden möchte. Wenn ich es zum erstenmal spüere, ist es gewöehnlich sehr vage und schwer in Worte zu fassen. Deshalb beschreibe ich es nur ungefäehr. Und wenn der Begleiter diese Worte zurüecksagt, nehme ich sie als Hilfe, um dem inneren Empfinden noch näeher zu kommen. So kommen Worte, die noch besser passen, ich höere sie zurüecksagen und prüefe sie wiederum mit dem, was sich in mir bemerkbar gemacht hat. So läesst mich jedes Zurüecksagen des Begleiters tiefer und tiefer in meinen Prozess gelangen.
Am Ende der Sitzung, wenn wir einander Rüeckmeldungen geben, stelle ich oft fest, dass ich in positivem Sinn den Begleiter kaum wahrgenommen habe. Da er unseren Vereinbarungen folgte und mir wirklich wie ein Spiegel war, wurde beides durchläessig: Einerseits war er als Person noch gegenwäertig, aber er behinderte in keiner Weise meinen inneren Prozess.
Es gibt aber noch etwas anderes, um sich mit einem Begleiter sicher zu füehlen, Was passiert, wenn ich ihm/ihr gegenüeber etwas füehle, positiv oder negativ, das sich bei in meinemn Erlebensprozess als hinderlich herausstellen köennte,? Dann muss die Sitzung mit einer Kläerung dieser Stöerung beginnen. Dazu wüerde ich erst meinen inneren Ort befragen, wieviel von dem, was ich empfinde, ich sicher und passend direkt mitteilen kann. Dann wüerde ich es auch sagen und der andere wüerde es als Zuhöerer zurüecksagen und nun seinerseits nachsehen, ob da etwas ist, was er braucht oder mir sagen möechte.
(Es gäebe noch mehr zu sagen zu diesem großssen interpersonalen Raum zwischen dem Fokussierenden und dem Begleiter und ich hoffe, jemand wird sich damit genauer befassen,.) In den meisten Fäellen wird diese zwischenmenschliche Kläerung zu Beginn einer Sitzung nur wenige Minuten in Anspruch nehmen und dann kann ich meinen inneren Ort fragen, ob er sich nun sicher genug füehlt, fortzufahren. Wenn ich mich in dieser Weise von innen füehren lasse und mein Begleiter ebenso, dann erleben wir beide die Sitzung fast immer als sicher und fruchtbar.
(1) Im englischen Original: safe – d.h. sicher, zuverläaessig, ungefäaehrlich, geschüetzt
(2) Im englischen Original: listener
(3) Im englischen Original: listening responses.
(4) Im englischen Original: guiding
(5) Alle Hervorhebungen durch den Üebersetzer
Heinz Urban ist Professor fuer Unternehmensorganisation und Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Kempten/Allgaeu, Focusing-Trainer (DAF) und Yoga-Lehrer (BDY/EYU)