Haeufig gestellte Fragen zu Focusing-Partnerschaften
Uebersetzung: Heinz Urban
Focusing Journal 9 / 2002
DAF Wuerzburg, Ludwigstr. 8a, D-97070 Wuerzburg – www.focusing-daf.de
Original: Ann Weiser Cornell und Barbara McGavin
Focusing beschraenkt sich nicht auf die Anwendung im Rahmen der Psychotherapie und damit auf einen nur kleinen Kreis von Menschen. Es beruht auf einem sehr alten Wissen, das – weitergefuehrt und neu formuliert – als alltagserprobte Methode Menschen in vielen Lebensbereichen helfen kann: als Selbst-Focusing und als Partnerschaftliches Focusing.
Im Focusing-Journal 7/2001 haben wir den Artikel „Sicheres Focusing – mit (fast) jedem Begleiter“ von Ann Weiser Cornell veroeffentlicht. Der nachfolgende Text setzt diese Thematik fort. Er behandelt ausfuehrlich Fragen zur Praxis des Partnerschaftlichen Focusing und beschreibt einen Rahmen, in dem es sicher, frei und wirkungsvoll stattfinden kann.
Definitionen
Was ist Partnerschaftliches Focusing?
Eine Focusing-Partnerschaft ist eine Uebereinkunft zweier Menschen, sich zu treffen (persoenlich oder am Telefon), um sich beim Fokussieren gegenseitig zu begleiten.
Was ist eine Focusing-Runde?
Ein „focusing turn“ ist die Zeit, in der du fokussierst. Du lenkst deine Aufmerksamkeit nach innen und faengst an zu spueren, was deine Aufmerksamkeit haben moechte. Du folgst deinem eigenen Focusing-Prozess und teilst davon mit, was du willst und wann du es willst. Die Person, welche das gerade tut, wird die „Fokussierende“ genannt.
Wird waehrend einer Focusing-Runde nur fokussiert?
Die Focusing-Runde gehoert dem Fokussierenden, und er kann sie so gestalten, wie er moechte. Das schliesst ein, ueber ein Problem zu sprechen, einen Rat einzuholen oder eine Tasse Kaffee zu trinken. Wenn er die Zeit nutzen will, um z.B. etwas zu planen oder um zu meditieren, ist das seine Sache. Gewoehnlich aber wird er die Zeit fuer Focusing verwenden. Jedoch besteht dazu keine Notwendigkeit. Es ist wichtig, dies zu beachten, denn es bedeutet, dass niemand – insbesondere nicht der Begleiter – dem Fokussierenden sagt, was er in seiner Zeit zu tun und wie er es in der rechten Weise zu machen hat.
Was ist eine Zuhoer-Runde?
Ein „listening turn“ ist die Zeit, in der du zuhoerst, waehrend die andere Person fokussiert. Der Zuhoerer wird Begleiter genannt. Diese Form des Zuhoerens ist mehr als nur „hoeren“; sie bedeutet vielmehr, wirklich aufmerksam da zu sein fuer den Prozess im anderen Menschen. Gewoehnlich sagst du alles oder einiges von dem zurueck, du „spiegelst“, was der Fokussierende mitteilt. Diese Art des Zuhoerens erscheint einfach, denn du „tust“ scheinbar nichts. Dennoch kann sie sehr machtvoll und hilfreich sein. Sie ist eine subtile Kunst, die durch Uebung entwickelt werden kann.
Hoert der Begleiter dem Fokussierenden waehrend dessen Runde immer zu?
Der Begleiter gibt jede Unterstuetzung, welche der Fokussierende erbittet. Der Normalfall ist das Zuhoeren (Spiegeln, Zurueck-Sagen); wir machen das, bis wir um etwas anderes gebeten werden. Aber der Fokussierende kann den Begleiter auch bitten, zu schweigen, oder Rueckmeldungen, Ratschlaege, eine Stellungnahme oder Anleitungen zu geben (guiding). Es ist eine Regel, dass der Fokussierende den Begleiter um die Art von Praesenz bitten kann, die er gerade benoetigt.
Gibt es Regeln oder Richtlinien, die helfen, damit sich eine Focusing-Partnerschaft fuer beide Seiten sicher anfuehlt?
Sicherheitsregel Nr. 1: Erwaehne niemals etwas ueber den Inhalt der Focusing-Sitzung, selbst dann, wenn sie vorueber ist, es sei denn, der Fokussierende kommt darauf zu sprechen. Ebenso solltest du nichts erzaehlen ueber aehnliches, das du erlebt hast und auch niemals Ratschlaege geben, was der Fokussierende mit seinem Thema oder Problem tun sollte. Dies ist ausserordentlich wichtig. Gerade nach Beendigung einer Focusing-Sitzung ist eine besondere Verletzlichkeit gegeben. Sie verlangt denselben feinfuehligen Umgang wie die Zeit des Focusing selbst. Jede Art von Bemerkungen ueber den Inhalt einer Sitzung des Focusing-Partners kann eurer Beziehung schwer schaden. Sogar scheinbar harmlose Bemerkungen wie „Ich hoffe, dein Ruecken fuehlt sich jetzt besser an“ kann die Gewissheit des Fokussierenden – naemlich das zu spueren, was fuer ihn notwendig ist – durcheinander bringen.
Sicherheitsregel Nr. 2: Privatsphaere. Es ist wichtig, dass sich der Fokussierende berechtigt fuehlt, so privat oder so offen zu sein, wie er will. Er bestimmt, wie viel er vom Inhalt seines Focusing mitteilt oder fuer sich behaelt. Manchmal braucht es seine Zeit, um auftauchende Inhalte zu erfassen, bevor man sie mit anderen teilen kann. Manches ist besser, fuer sich zu behalten. Es ist fuer den Begleiter nicht wichtig zu erfahren, womit sich der andere beschaeftigt. Niemals darf deine Neugierde, etwas ueber den Inhalt erfahren zu wollen, den Prozess stoeren. Wenn du fokussierst, kannst du deinem Begleiter sagen „Ich kann spueren, wie das zusammenhaengt,“ oder „Ich fuehle, worum es geht“, ohne irgendwelche Einzelheiten zu enthuellen.
Sicherheitsregel Nr. 3: Vertraulichkeit. Teile nie irgendetwas aus der Focusing-Sitzung deines Partners irgendjemandem mit, ausser du hast die ausdrueckliche Genehmigung dazu. Von dieser Regel gibt es keine Ausnahmen.
Planung
Nehmen die Partner immer beide Rollen – die des Fokussierenden und die des Begleiters – ein?
Es ist von grosser Bedeutung, dass in der Partnerschaft Ausgewogenheit besteht. Deshalb ist der Rollenwechsel wichtig. Ausgewogenheit kann sich auf die Zeit, aber auch auf anderes beziehen. Zum Beispiel vereinbaren zwei Personen, dass jeder so lange fokussieren kann, wie er moechte. Dann ist es in Ordnung, wenn die eine Sitzung vierzig und die andere zehn Minuten dauert. Auch braucht nicht jedes Treffen beide Runden zu umfassen. Manche Partner machen aus, dass in der einen Woche nur einer fokussiert und in der folgenden Woche der andere. Das ist ebenfalls in Ordnung. Es ist sogar moeglich, dass immer die gleiche Person anfaengt, wenn die andere damit einverstanden ist. Das ist eure Sache.
Mein Partner und ich brauchen fast mehr Zeit, um einen Termin auszumachen, als wir uns fuer Focusing nehmen!
Am besten ist es, einen regelmaessigen Termin auszumachen und sich an diesen zu halten. Auch dann, wenn man wegen anderer Ereignisse einige Wochen ueberspringen muss. Allmaehlich wird euch dieser eine Termin in der Woche immer wichtiger, ihr werdet ihn von anderen Verpflichtungen frei halten und euch darauf freuen.
Wo kann Partnerschaftliches Focusing stattfinden?
Wenn ihr euch persoenlich trefft, ist jeder Ort moeglich, mit dem ihr beide einverstanden seid und wo sich keiner von euch belauscht oder sonst wie gestoert fuehlt. Ihr braucht Stuehle [man kann auch auf dem Boden sitzen, Anm. d. Red.], auf denen sich jeder wohl fuehlt, und eine Uhr oder einen Wecker, um auf die Zeiten der Runden zu achten.
Wie geht Telefon-Focusing?
Fuer Focusing am Telefon gilt das gleiche wie fuer persoenliche Treffen, ausser dass ihr nur Kontakt ueber das Telefon habt. Es ist gut, dafuer zu sorgen, dass waehrend dieser Zeit kein anderer anrufen kann und eure Familienmitglieder oder Kollegen wissen, ihr telefoniert fuer eine bestimmte Zeit. Manchen ist es unbequem, wenn sie den Telefonhoerer laengere Zeit an ihr Ohr halten muessen. Abhilfe schafft eine Freisprecheinrichtung oder ein Kopfhoerer-Set mit einem kleinen Mikrofon.
Zeit und Ablauf
Wie lange dauert eine Sitzung?
Das liegt ganz bei euch. Manche setzen dafuer jeweils zwanzig Minuten an und andere wiederum eine Stunde. Aber es sind auch kuerzere oder laengere Zeiten moeglich.
Wer faengt an?
Jeder von euch beiden kann beginnen – es spielt keine Rolle.
Wie beginnt eine Sitzung?
Nachdem ihr ausgemacht habt, wer zuerst fokussiert, stellt der Begleiter drei Fragen:
1. Wenn ihr euch persoenlich trefft: „Wo moechtest du gerne sitzen, und wo und in welchem Abstand soll ich sein?“ Oder am Telefon: „Sitzt du bequem, und kannst du mich gut hoeren?“
2. „Wann soll ich dir sagen, dass deine Sitzung zu Ende geht?“
3. „Was haettest du gerne von mir als Begleiter?“
Wenn der Fokussierende diese drei Fragen beantwortet hat, beginnt er so, wie es fuer ihn stimmig ist.
Wie halten wir die vereinbarte Zeit ein?
Zu Beginn einer Sitzung fragt der Begleiter den Fokussierenden „Wann soll ich dir sagen: ‚Deine Sitzung geht zu Ende?’“ Der Fokussierende nennt die Zeit, die er braucht, um gut abschliessen zu koennen, also zum Beispiel „fuenf Minuten vor Ende und dann bitte nochmals nach zwei Minuten.“
Wenn diese Zeit gekommen ist, teilt dies der Begleiter dem Fokussierenden klar und deutlich mit, zum Beispiel: „Ab jetzt hast du noch fuenf Minuten Zeit.“ Wenn der Fokussierende gerade etwas gesagt hat, was noch nicht zurueckgesagt wurde, dann ist es hilfreich, wenn der Begleiter erst zuruecksagt, was ihm zuvor mitgeteilt wurde und dann auf die verbleibende Zeit hinweist. Tu das auch, wenn ihr die Zeit aus den Augen verloren habt; wenn urspruenglich z.B. drei Minuten vereinbart waren, aber nur mehr eine Minute uebrig ist, sage trotzdem „noch drei Minuten.“
Ist die vereinbarte Zeit fuer die Sitzung ueberschritten, dann sage nicht „Die Zeit ist vorbei“ oder etwas aehnliches. Seid ihr zum Beispiel fuenf Minuten ueber der Zeit, kannst du etwas sagen wie „Sieh, ob es eine passende Stelle gibt, an der du zu Ende kommen kannst.“
Wenn der Fokussierende dazu neigt, die Zeit zu ueberziehen, kannst du ihn fragen, ob du frueher als vereinbart ueber das nahende Ende einer Sitzung informieren sollst. Waren es urspruenglich drei Minuten, dann schlage acht oder zehn vor. Der Vorteil ist eine laengere Abschlussphase, ohne deswegen dem anderen auf die Zehen zu treten.
Natuerlich sind wir keine Maschinen und es sollte immer moeglich sein, wenn noetig die vereinbarten Zeiten neu zu verhandeln. Wenn du den anderen zwei Minuten vor Abschluss informierst und er erwidert, „Ich habe das Gefuehl, ich braeuchte noch zusaetzlich fuenf Minuten, geht das?“ sollte es dir leichter fallen zuzustimmen, als wenn dein Partner ohne zu fragen die Zeit ueberschreitet. Es wird dir vermutlich auch leichter fallen, wenn es eher die Ausnahme als die Regel ist. Der Schluessel liegt darin, auf die Beduerfnisse deines Partners und auf deine eigenen zu achten.
Ich bin nach meiner Focusing-Runde nicht in der Verfassung, gleich den anderen zu begleiten.
Wie waere es mit einer Pause von etwa fuenfzehn Minuten zwischen den Runden? Das reicht gut fuer eine Tasse Tee oder einen kurzen Spaziergang um den Block, und du kommst erfrischt zurueck zum Zuhoeren. Oder ihr einigt euch auf zehn Minuten, damit du nach deiner Sitzung etwas Zeit hast, deine Erlebnisse in deinem Focusing-Tagebuch festzuhalten.
Vereinbarungen einhalten
Was ist, wenn ich eine Verabredung fuer unser Partnerschaftliches Focusing verschieben oder absagen muss?
Wenn du ein Treffen wirklich verschieben oder absagen musst, dann gib deinem Partner so bald wie moeglich Bescheid – und dann ist es an dir, dich wieder zu melden und moeglichst bald einen neuen Termin auszumachen.
Aber war es wirklich notwendig, das Treffen zu verschieben oder abzusagen? Wie wichtig war das, was dazwischen kam? Eine Focusing-Partnerschaft gelingt am besten, wenn man die Zeit dafuer als unantastbar betrachtet. Dein Focusing-Partner ist sehr, sehr wichtig, und du vermittelst ihm das, wenn du mit euren Vereinbarungen achtungsvoll umgehst und nur etwas aenderst, wenn es wirklich unumgaenglich ist.
Sollte ich nicht unser Treffen absagen, wenn ich eigentlich nicht fokussieren moechte?
Es kann gut sein, dass etwas in dir sich einmal nicht zum Focusing hingezogen fuehlt.
Ein Teil in dir sagt vielleicht: „Nichts tut sich,“ oder „Ich fuehle mich zu schwach,“ oder auch „Der andere kann damit nicht umgehen.“ Wenn dich der Focusing-Prozess in tiefere Schichten fuehrt, ist so etwas sehr wohl moeglich. Das ist ein Zeichen, dass du etwas Bedeutsamem in dir nahe kommst.
Einer der grossen Schaetze einer Focusing-Partnerschaft ist, dass du – wenn ihr euch regelmaessig und gerne trefft – immer mehr in deinen eigenen Focusing-Prozess gelangst. Auch wenn irgendetwas in dir gerade dann unbedingt die entgegengesetzte Richtung einschlagen will.
Zum Focusing selbst brauchst du dich keinesfalls zu zwingen. Aber du solltest schauen, ob es fuer dich passt, auch jene Teile in dir zuzulassen, die so etwas sagen wie „Es kommt ja doch nichts.“ Warte, gib dir selber Zeit. Oder wenn eine Angst oder Betroffenheit da ist, lasse es zu. Warte, sei einfach dabei.
Wie ist es, wenn wir uns treffen, aber ohne meine Focusing-Runde? Ich will nur zuhoeren, waehrend mein Partner fokussiert.
Das ist keine gute Idee. So etwas kann eure Beziehung durcheinander bringen und den einen als beduerftig und den anderen als Gebenden erscheinen lassen. Vielleicht noch bedeutsamer ist die Veraenderung in der Beziehung zu dir selbst. Deine Focusing-Runde ist die Zeit, in der es deine Aufgabe ist, dich nach innen zu wenden und verfuegbar zu sein fuer alles, was deine Aufmerksamkeit haben moechte. Es ist Bestandteil des Aufbaus einer vertrauensvollen inneren Beziehung. Erinnere dich: Waehrend deiner Zeit brauchst du nicht zu fokussieren. Aber dennoch waere es sicherlich sinnvoll, zumindest kurz nach innen zu spueren, ob da nicht doch etwas ist, was diese Woche deine Aufmerksamkeit haben moechte. Nimm dir ein wenig Zeit, um nachzuspueren, warum dir nicht nach Focusing zumute ist. Wenn deine inneren Orte heute wirklich keine Begleitung wuenschen, hast du immer noch die Moeglichkeit, waehrend deiner Zeit mit dem Partner zu plaudern oder ein Gespraech ueber irgendetwas zu fuehren.
Mein Partner hat eine schwere Zeit und scheint viel Focusing zu brauchen; ich dagegen fuehle mich grundsaetzlich in Ordnung. Ist es dann richtig, ihm meine Focusing-Zeit zu geben?
Es kann zwar fuer den anderen wie ein Gefallen aussehen, wenn du ihm deine Focusing-Zeit gibst, tatsaechlich aber ist das nicht gut, denn auf die Dauer ist es einer gesunden Partnerschaft abtraeglich.
Menschen sind unterschiedlich. Bei einigen tut sich viel und haeufig etwas. Sie sind „nahe am Prozess“. Manche dagegen glauben, dass nichts geschieht. Sie sind „fern vom Prozess“. Beide Arten von Menschen koennen viel Nutzen aus dem Focusing ziehen. Aber der, bei dem sich scheinbar nichts tut, sollte trotzdem nicht seine Zeit hergeben, auch wenn der andere sie anscheinend gut gebrauchen koennte. Fuer beide ist Focusing wichtig. Zudem kann die Person, die im Moment etwas durcheinander ist oder eine harte Zeit durchmacht, auch viel von der Rolle des Zuhoerenden profitieren: das Gefuehl innerer Zentrierung, das Empfinden von Selbstwert, fuer einen anderen da sein zu koennen …
Nochmals: Wenn das nur einmal und wegen besonderer Umstaende vorkommt, ist das nicht weiter schlimm. Aber auch dann sorgt dafuer, dass ihr euch beide bewusst entscheidet. Mache nicht einfach mit ohne wirklich zuzustimmen. Ansonsten entsteht sehr leicht ein Ungleichgewicht in der Partnerschaft.
Eines der wichtigsten Dinge, die Focusing die Menschen lehrt, die sich leicht von Gefuehlen ueberwaeltigen lassen, besteht darin, ihnen einen angemessenen Raum zu geben und sie nicht zu unterdruecken. Andererseits koennen jene, die zu wenig intensive Gefuehle haben, lernen, wie wichtig es ist, sich Zeit zu nehmen, um innerlich etwas zu spueren. Auch dann, wenn sie meinen, eigentlich sei alles in Ordnung.
Wie ist es, wenn ich derjenige bin, der eine schwere Zeit durchmacht; ist es dann gut fuer mich, wenn mein Partner auf seine Focusing-Runde verzichtet und ich laenger fokussieren kann?
Das ist nicht empfehlenswert – ausgenommen vielleicht unter aussergewoehnlichen Umstaenden, wie dem Tod eines geliebten Menschen. Partnerschaft sollte gleichwertig sein, und das bedeutet auch, beide Rollen wahrzunehmen. Wenn du das Empfinden hast, du braeuchtest eigentlich oefters mehr Zeit, dann koennt ihr beide vielleicht ausmachen, dass eure beiden Runden in Zukunft laenger dauern. Oder wenn du fuehlst, du moechtest insgesamt mehr fokussieren, dann koenntest du dir einen zweiten Focusing-Partner suchen. Es gibt keine Regel, die besagt, dass du nur einen haben darfst!
Zwischenmenschliches
Ist es gut, einen Freund als Focusing-Partner zu haben?
Viele Freunde wurden Focusing-Partner und viele Focusing-Partner wurden Freunde. Da gibt es kein Problem. Es ist aber ebenfalls in Ordnung, wenn ihr nur Focusing-Partner seid, ohne euch deswegen zu befreunden.
Merke, der Schluessel liegt darin, den Raum fuer Focusing getrennt von dem Raum fuer Freundschaft zu halten. Wenn du zum Beispiel gerne noch etwas plaudern moechtest und dich etwas beschaeftigt aus den vergangenen Tagen, tu das, bevor deine Sitzung anfaengt. Wenn du dann mit Focusing beginnst, lass diese Art von freundschaftlichem Gespraech vollstaendig beiseite. Wenn du willst, koennt ihr das signalisieren, indem ihr euch auf eure „Focusing-Stuehle“ setzt. Bei Focusing am Telefon kann man diese Grenze ebenfalls kennzeichnen: „Nun, fangen wir an.“
Ist Focusing mit einem sehr nahe stehenden Menschen moeglich?
Focusing kann deine Beziehung wesentlich vertiefen. Dabei wird vorausgesetzt, dass Bereitschaft und gegenseitige Achtung vorhanden ist. Die Focusing-Lehrerin Christel Kraft schlaegt vor, mit einem sehr nahe stehenden Partner Focusing inhaltsfrei zu machen, d.h. zu fokussieren, ohne Inhalte zu benennen.
Ich bin mir nicht sicher, ob mein Partner wirklich fokussiert. Was soll ich tun?
Nichts! Denke daran, dass die Sitzung dem Fokussierenden gehoert. Du bist als Zuhoerer und Begleiter nicht verantwortlich und zustaendig dafuer, dass sich in dessen Focusing etwas Gutes ereignet oder sogar, ob er ueberhaupt fokussiert.
Die Verantwortung zwischen Focusing-Partnern ist ganz klar aufgeteilt: Fokussiert jemand, ist es dessen Sitzung, dessen Zeit. Wenn er seine Zeit verwenden moechte, um ueber etwas zu reden anstatt es zu erspueren, ist das seine Sache. Moechte er irgendwelchen Ideen oder Einfaellen nachgehen, etwas planen oder einfach meditieren, ist das genauso seine Angelegenheit. Frage einfach, wie dich die andere Person gerne haette.
Ich bin verunsichert, denn mein Partner hat mehr Erfahrung im Focusing und im Zuhoeren als ich – ich befuerchte, ich bin nicht gut genug fuer ihn.
Eine Focusing-Partnerschaft ist eine gleichwertige Beziehung; sie beruht auf Gegenseitigkeit. Auch wenn der eine von euch mehr Erfahrung hat, ist Gleichheit die Basis eurer Beziehung. Als Fokussierende sind wir alle gleich in der Weise, dass wir ein inneres Wissen besitzen, dem man vertrauen kann.
Wenn du fokussierst, ist es immer gut, deinem Begleiter zu sagen, was du von ihm moechtest, sogar dann, wenn er der erfahrenste Focusing-Begleiter der Welt waere.
Bist du Begleiter, dann lasse dir von dem Fokussierenden sagen, was er von dir moechte und richte dich dann auch danach. Die gute Nachricht dabei: Je erfahrener ein Fokussierender ist, desto besser kann er mit der Begleitung durch einen Anfaenger umgehen.
Mache dir also keine Gedanken – du wirst es schnell lernen!
Ich fuehle mich bei meinem Partner nicht sicher genug, um an bestimmten Themen zu arbeiten. Mein Partner ist ja kein Profi. Ich befuerchte, er kann mit der Tiefe und Intensitaet, in die ich mich begebe, nicht umgehen.
Dazu zwei Dinge. Zum einen moechte ich dich ermutigen, deinem inneren Gefuehl zu vertrauen, das dir sagt, was du in deiner Focusing-Partnerschaft behandeln kannst. Schiebe niemals deine inneren Warnungen bezueglich deiner Sicherheit beiseite. Sie haben ihren Grund.
Es kann aber auch sein, dass du missverstehst, was eine Focusing-Partnerschaft ist. Dein Partner ist weder dein Therapeut noch dein Berater. Es liegt nicht in seiner Verantwortung, sich mit deinen Angelegenheiten zu befassen. Dein Partner soll einfach praesent sein, waehrend du dich an tiefen und heiklen inneren Orten aufhaeltst, und ihnen Platz machen. Wenn du dir aber nicht sicher bist, ob du mit dem, was auftaucht, umgehen kannst, ist das etwas anderes. Dann kannst du ueberlegen, ob du dir von einem Therapeuten oder Berater mehr Unterstuetzung holen moechtest.
Noch etwas: Bist du dir nicht sicher, wie deine Inhalte bei deinem Begleiter ankommen, dann kannst du fokussieren, ohne zu sagen, worum es geht.
Mein Partner hoert nicht so zu, wie ich es braeuchte. Ich moechte mehr Schweigen (weniger Schweigen, genaueres Zuruecksagen, mehr Umschreibungen, etc.).
Es gehoert zu einer Focusing-Partnerschaft, dass der Fokussierende dem Begleiter mitteilt, was er von ihm haben moechte. Zu Beginn der Sitzung fragt der Begleiter: „Was haettest du gerne von mir als deinem Begleiter?“ Das ist die Gelegenheit zu sagen, was du haben moechtest. Du kannst das aber auch jederzeit waehrend der Sitzung tun. Du kannst deinen Partner bitten zu schweigen oder ihn auffordern, das zu wiederholen, was du eben gesagt hast und so fort. Es ist deine Sitzung. Gestalte sie so, wie du willst. Zu spueren, was es fuer deinen Prozess vom Begleiter braucht, gehoert auch zu Focusing.
Was, wenn der Begleiter vom Inhalt des Fokussierenden beruehrt wird?
Erste Antwort: Wunderbar! Was fuer eine grossartige Gelegenheit!
Zweite Antwort: Als Zuhoerer bist du selbstverstaendlich fuer deine eigenen Gefuehle und Reaktionen verantwortlich. Du bist ein Mensch, der auch bewegt, beruehrt, erschuettert oder beunruhigt werden kann von dem, woran der Fokussierende arbeitet. Aber es sind deine Gefuehle. Wir wuerden dir raten, einfach schweigend alle Empfindungen zu akzeptieren, die in dir auftauchen, waehrend du dem Fokussierenden zuhoerst. Du kannst zu ihnen etwa sagen „Hallo, ich weiss, ihr seid da.“ Das sollte genuegen. Es besteht keine Notwendigkeit, dich weiter mit ihnen zu befassen, nicht einmal nach Abschluss der Sitzung. Du mischt dich sonst zu leicht in die Inhalte deines Partners ein.
Wenn du dann an die Reihe kommst, mag es eine Moeglichkeit geben, darueber zu fokussieren, was in dir anlaesslich der Focusing-Runde deines Partners aufgetaucht ist. Wenn es wirklich deine Anteile sind und keinesfalls etwas von deinem Partner, kann das angehen. Erinnere dich daran: Es ist immer moeglich zu fokussieren, ohne den Inhalt zu erwaehnen. Bist du dir nicht sicher, kannst du es mit deinem Partner abklaeren. Du sagst ihm kurz, was du vorhast und fragst ihn, ob das fuer ihn in Ordnung ist oder ob es ihn verletzt. Sich in dieser Weise gegenseitig zu foerdern, kann fuer beide Teile sehr lohnend sein.
Die gefaehrlichste Art, in etwas verwickelt zu werden, besteht darin, sich dessen gar nicht bewusst zu sein. Anstatt fuer deine Rueckmeldungen an den Fokussierenden selbst die Verantwortung zu uebernehmen, kommen ploetzlich Ratschlaege, Rettungsverhalten, Kritiksucht oder Urteile ueber ihn bzw. andere Personen aus seinem Leben. Das Beduerfnis, etwas zu raten, zu retten, zu helfen oder auch zu beurteilen, mag sehr wohl von einem Ort in dir kommen, dem es nicht gut ging waehrend des Focusing-Prozesses deines Partners. Sei wachsam, wenn etwas in dir auftaucht, das unbedingt helfen, konstatieren oder retten moechte. Solche Impulse koennen ganz klare Botschaften sein, dass etwas in dir ist, mit dem du dich beschaeftigen solltest.
Ich bin Begleiter und der Fokussierende bittet mich um etwas, was mir Unbehagen bereitet oder was ich nicht kann.
Sprich mit dem anderen. Du hast das Recht dazu! Wahrscheinlich wird es etwas Aehnliches geben, zu dem du bereit bist oder was du kannst. Sucht gemeinsam nach Loesungen, bis ihr etwas findet, das machbar ist.
Ein Beispiel: „Ich habe als Begleiter nicht gelernt, wie man ‚fuehrt’ (guiding). Ich kann dich also nicht anleiten. Wenn du aber eine Vorstellung hast, was ich an einer bestimmten Stelle machen soll, werde ich das gerne tun.“
Was ist der beste Weg, eine Focusing-Partnerschaft zu beenden?
Nicht jeder kann mit jedem gut zusammenarbeiten. Das ist vermutlich niemandes Fehler; vielleicht liegt es daran, dass ihr in eurer Art einfach zu verschieden seid, oder ihr habt euch weiter entwickelt und die urspruenglichen Gruende, sich zu treffen, sind nicht mehr gegeben. Es ist hilfreich, eine Partnerschaft klar und in aller Freundschaft – soweit moeglich – zu beenden. Es kann aber auch bedeuten, eine dritte Person hinzu zu ziehen. Sie kann euch helfen, darueber zu sprechen, was das Ganze so schwierig werden liess. Vielleicht solltet ihr auch ein gesondertes Treffen ausmachen, einfach nur, um einander zu danken fuer das, was ihr erlebt habt und das zu wuerdigen. Nicht empfohlen wird, das Ganze irgendwie versanden zu lassen. Dann wird es noch schwieriger, falls ihr spaeter einmal euer Partnerschaftliches Focusing fortsetzen wollt.
Ein Leitfaden
fuer Partnerschaftliches Focusing
Als Fokussierender
Du kannst
- es dir koerperlich bequem machen,
- ein wenig herum gehen, wenn es dir hilft,
- die Augen offen oder geschlossen halten,
- schweigen, wann immer und so lange du willst,
- deinem Begleiter sagen, er solle schweigen,
- deinen Begleiter jederzeit unterbrechen,
- ignorieren, was dein Begleiter sagt,
- deine Zeit so verbringen, wie du moechtest, auch wenn das nicht Focusing ist,
- deine Sitzung vor der vereinbarten Zeit beenden, wenn du willst.
Du sollst
- deinem Begleiter mitteilen, wie er sich waehrend deiner Focusing-Sitzung verhalten soll,
- auf die Reaktion deines Koerpers achten, wenn dein Begleiter dir etwas zurueckmeldet,
- deinen Begleiter um das bitten, was du waehrend der Sitzung brauchst (Ueberlegungen, Vorschlaege, Hilfe, Klaerung),
- „Nein, das ist nicht ganz richtig“ sagen, wenn etwas nicht passt,
- all das fuer dich behalten, von dem du spuerst, du solltest es nicht sagen,
- darauf achten, zu Ende zu kommen, nachdem du darauf hingewiesen wurdest.
Als Begleiter
Du kannst
- es dir koerperlich bequem machen,
- die Sitzung beenden, wenn du nicht mehr zuhoeren kannst.Du sollst
- deine Aufmerksamkeit in deinen Koerper lenken,
- alle Gefuehle, die in dir auftauchen, schweigend zur Kenntnis nehmen,
- dir bewusst sein, dass dein Da-Sein viel wichtiger ist als das, was du tust,
- beachten, dass der Felt Sense des Fokussierenden den Ablauf der Sitzung bestimmt,
- dem Fokussierenden rechtzeitig mitteilen, dass seine Sitzung zu Ende geht,
- vollkommenes Stillschweigen ueber alles bewahren, was waehrend einer Sitzung geschieht.
Heinz Urban ist Professor fuer Unternehmensorganisation und Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule Kempten/Allgaeu, Focusing-Trainer (DAF) und Yoga-Lehrer (BDY/EYU)